Halmaspiel

Kurzfilm Animadok, 2017

Animationssequenzen von Spielfiguren, Stoffblumen, Modezeichnungen, Schnittmustern, autobiografischen Notizen, Papiertüten, Prozessakten sowie medizinischen Bildern schichten sich in dieser filmischen Collage. Sie beschreiben eine Biografie im 20. Jahrhundert: Das Aufwachsen in der NS-Zeit, die Jugend im Nachkriegsdeutschland, den Mauerbau und das Leben in der DDR sowie nach dem Mauerfall im vereinten Deutschland. Es ist eine Geschichte von Flucht und Anpassung, Mitspielen und Zweifeln.

Trailer

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„Collagierte Assoziationen aus Fundstücken. Die eigene Familie, drei Deutschlands mitsamt seiner tückischen Unterkapitel, der Geschmack des Lebens. Die Mutter war eine leidenschaftliche Halmaspielerin. Einerseits. Andererseits schneiderte sie und war Modegestalterin in der DDR. Ihr Gesellenstück: eine Näherei mit Paspeln, Biesen, Riegeln und Ausschnittstickerei. Allein schon dafür, dass sich diese totgeglaubten Worte hier so zart reanimiert finden, muss man diesen Film lieben. Neben allem anderen!”

Ralph Eue, DOK Leipzig 2017
DOK Leipzig 2017 German Competition Short

Videostills

Credits

Buch, Regie, Animationen, Schnitt: Betina Kuntzsch
Zeichnungen: Ingrid Kuntzsch
Super-8-Film: Peter Kuntzsch
Dramaturgie: Christina Schmidt
Musik: Joachim Gies

Festivals

DOK Leipzig, 2017
Tricky Woman, Wien 2018
30. IFF Dresden, 2018
ITFS Stuttgart, 2018
IFF Dortmund/Köln, 2018
IKFF Hamburg, 2018
Kurzfilmrolle Berlin, 2018
Documentarist 11th Istanbul Documentary Days, 2018
27. dokumentART Neubrandenburg, 2018
Kasseler Dokfest, 2018
Interfilm Berlin, 2018
Filmnacht Bonner Kinemathek, 2018
FEINKOŠT, Kurzfilmtour in Tschechien und Deutschland, 2018
Soiree Allemande, Clermont-Ferrand, 2019
Short Export, 2019/2020 (Goethe Institute weltweit)

Preise und Auszeichnungen

Deutsche Film und Medienbewertung:
Prädikat besonders wertvoll

„Wohl fast jeder, der sich schon einmal durch Unterlagen und Erinnerungsstücke seiner Eltern wühlen musste, hat sich gefragt, was mit all den Stücken anzufangen sei, die sich im Laufe eines Lebens angesammelt haben. Betina Kuntzsch verwendet Dokumente, statisches Footage, Papier-, Stoff- und Filmschnipseln und vieles mehr für eine filmische Collage über das Leben ihrer verstorbenen Mutter.
Das Halmaspiel dient der Regisseurin dabei als thematischer Leitfaden durch den Lebenslauf der Mutter. Eine Richtschnur, die genauso kunstvoll, wie gekonnt verhindert, dass ihre Dokumentation ausufert und sich mit der Menge der Fundstücke verliert.
Gleich zu Beginn erfährt der Zuschauer: das Halmaspiel hat die Mutter immer begleitet. Durch die Kindheit während der NS-Zeit, in der DDR und auch nach dem Fall der Mauer ist es ein wiederkehrendes Bindeglied und ein Kommunikationsmittel ihres Lebens gewesen. So ist es naheliegend, dass Regisseurin Betina Kuntzsch das Spiel zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Dokumentation gemacht hat. Halma ist in Betina Kuntzschs Film aber auch gleichgesetzt mit dem Schlange stehen und sich Durchwurschteln, dem Zeitvertreib im Gefängnis und irgendwie auch das Netzwerken der Gegenwart. Und, so heißt es im Film, Betina Kuntzschs Mutter ‚war eine gute Halmaspielerin.’
Ungestrichenes, grobes DDR-Papier, Schnittmuster oder pastellige Modezeichnungen: Auf die Jury wirkten die ausgesuchten Fundstücke aus den Hinterlassenschaften wie Inbegriffe ihrer Zeit. Linear bewegt sich der Film aus der NS-Zeit bis in die Gegenwart. Erzählt von Ernteeinsatz und plötzlich verschwundenen, jüdischen Mitschülern, Republikflucht und Gefängnis, einer Karriere als Modezeichnerin, der Grenzöffnung und dem Leben danach. Das Hexagramm des Halmaspiels lässt Kuntzsch immer wieder auftauchen, mal als Davidstern, mal als selbstgefertigtes Gefängnisspiel, mal als neuronale Netzstruktur.
In der Diskussion zeigte sich die Jury erstaunt darüber, dass Kuntzschs Film in einer Viertelstunde ein ganzes Leben zu erzählen vermag, ohne gerafft zu wirken. HALMASPIEL wirkt assoziativ und weiterführend. Die Fragmente aus der Hinterlassenschaft der Mutter zeigen nur Facetten aus deren Leben, stehen aber für vieles mehr. HALMASPIEL steht für das Dasein in drei Regierungssystemen, drei Regimen, drei deutschen Staatsformen, in denen die Mutter gelebt hat.
Jeder Frame des Films, so stellt die Jury fest, wirkt wie eine Postkarte. Dass Betina Kuntzsch aus einem Künstler- und Architektenhaushalt kommt, das merkt man dem Film an. Die Jury bemerkt aber auch Leerstellen in der Biografie, die die Filmemacherin vielleicht bewusst, vielleicht auch unbewusst nicht ausgeführt hat. Und dennoch hat die Jury bei HALMASPIEL durchgängig das Gefühl, dass Betina Kuntzsch durchaus zu abstrahieren weiß und um Objektivierung bemüht ist.”

Deutsche Film- und Medienbewertung. FBW, 2017

30. IFF Dresden, 2018:
Lobende Erwähnung der Nationalen Jury

„Den Geschicken des Lebens ausgesetzt, wie Spielsteine…”

Filmfest Dresden. IFF, 2018

Ankauf für das Berliner Stadtmuseum mit Mitteln der Künstlerförderung, 2019